Erster offizieller weltwärts-Zwischenbericht (unabhängig von allen anderen Einträgen)

18.03.2013 11:55

 

Zwischenbericht Joris Krull

 

 

1. Einleitung

2. Meine Arbeit

3. Meine Lebensumstände

4. Mein Leben neben der Arbeit

5. Fazit

 

1. Einleitung

Als ich vor ziemlich genau drei Monaten in Togo gelandet bin, stieg ich ohne jegliche Ahnung, was mich hier erwarten würde aus dem Flieger. Alles was ich wusste war, dass diese neun Monate mich für mein Leben prägen werden. Heute habe ich schon viele Erfahrungen gesammelt und ich glaube, dass ich mit Recht sagen kann, dass ich wirklich angekommen bin. Ich mache jeden Tag neue Erfahrungen und lerne immer besser französisch zu sprechen, was ein immer besser werdendes Verständnis des Verhaltens der Einwohner nach sich zieht. Ich denke, dass mit diesem Zwischenbericht nach den ersten drei Monaten ein guter Zeitpunkt ist um ein erstes Resümee zu ziehen.

 

2. Meine Arbeit

In meinem Projekt fühle ich mich gut aufgehoben und gut ausgelastet. Anfangs dachte ich, dass das Leben im Dorf sehr langweilig und trocken sein würde. Mittlerweile habe ich über den Stadtleben-Landleben Unterschied nachgedacht und muss sagen, dass mir das Dorfleben wirklich gefällt. Ich habe viele Bekanntschaften gemacht und viele Leute kennengelernt, mit denen ich zusammenarbeiten kann. Im Dorf ist die alte afrikanische Tradition noch sehr viel mehr vorhanden als in den Städten, in denen man oft versucht möglichst „westlich“ zu sein. In meinem Projekt habe ich schnell gemerkt, dass es an mir liegt, was ich daraus mache. Eigeninitiative ist hier das Stichwort. Für mich persönlich ist das eine sehr schöne Sache, ich kann meine Arbeit meinen Interessen anpassen und fühle mich so immer ausgelastet und nicht überlastet mit Arbeit. In den ersten Wochen habe ich zunächst mit dem in der „Paroisse“ lebenden Pfarrer das Dorf und die Umgebung kennengelernt. Die Schulen, die Kirchen, die wichtigen Leute der Dörfer und alle Bewohner, mit denen man Arbeiten kann. Nach den ersten Wochen habe ich begonnen zu Arbeiten. Ich bin ins Gymnasium gegangen und habe mit dem Deutschlehrer zusammen Unterricht gemacht. Heute gebe ich einmal die Woche alleine eine Stunde Deutsch in der Abschlussklasse und mit den Schülern, die Interesse haben und vermutlich Germanistik studieren werden habe ich einen Deutschclub gegründet, der einmal pro Woche zusammenkommt und diskutiert, Filme guckt oder Texte liest.
Da mit dem Wort Sport auf dem Land oft nur das Wort „Fußball“ assoziiert wird, habe ich mich mit dem Sportlehrer von Solla zusammengesetzt und wir haben nun ein Volleyballtraining für Mädchen begonnen, dass mehrfach pro Woche stattfindet. Wir beide haben das Gefühl, dass es für die Mädchen eine äußerst willkommene Abwechslung zum Alltagsleben ohne jegliche Art von Sport ist, da Frauenfußball von der männlichen Gesellschaft nicht akzeptiert wird. An dieser Stelle steht der hier unglaublich starke Gender-Konflikt, die Frau als Hausfrau und der Mann als Arbeiter und in der Gesellschaft aktiver Teil der Familie. Selbst beim Volleyballtraining stehen oft männliche Jugendliche daneben und machen Witze oder wollen von uns, dass wir das Training beenden, damit sie spielen können. Allerdings haben sich diese Beschwerden bzw. Forderungen nach einigen Wochen stark reduziert. Mein großes Ziel ist, dass die Mädchen auch in Zukunft Sport machen können, ohne von den männlichen Jugendlichen daran gehindert zu werden.
Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit läuft in Zusammenhang mit Herrn Pim, dem Sozialarbeiter von Solla. Für mich ist die Arbeit mit ihm auch die interessanteste; er zeigt mir Familienfälle, die besonders schlimm sind und gemeinsam denken wir darüber nach und entscheiden dann, wie wir damit umgehen werden. Außerdem habe ich mit ihm an der Grundschule und an der weiterführenden Schule von Solla einen Klub für den Schutz und die Verbreitung von Kinderrechten gegründet. Einmal pro Woche treffen wir uns mit den Kindern und noch einer weiteren Freiwilligen und versuchen den Kindern ihre Rechte so anschaulich wie möglich aufzuzeigen. Ein weiteres Projekt ist noch in der Anfangsphase. Es geht um die Hilfe von Behinderten und Kindern, die im Krankheitsfall ihre Behandlungen nicht bezahlen könnten. Zusammen mit dem Arzt der Krankenstation versuche ich mit Herrn Pim den Leuten und nur diesen, die ihre Behandlung nicht bezahlen könnten, zu helfen. Grundsätzlich ist diese „Hilfe“ die Übernahme der Behandlungskosten. Als Gegenleistung wird ein Brief des Patienten erwartet, indem er ein Dankeschön ausspricht, sowie die Erlaubnis ein Foto aufzunehmen. Grund für diese Gegenleistung ist der Ursprung des Geldes. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis suche ich Spender, die dieses Projekt finanzieren. Als Gegenleistung übermittele ich die Fotos und Danksagungen via Email zu ihnen.
Ein weiterer Aspekt meiner Arbeit ist die Betreuung der Patenschaften aus Deutschland. Alle Familien, die eine Patenschaft in Deutschland haben, werden regelmäßig von mir besucht, damit ich an die Paten in Deutschland neueste Informationen und Fotos senden kann.
Der letzte Teil meiner Arbeit besteht in der Regel aus Botengängen bzw. Fahrten mit dem Auto um einige Angelegenheiten des Pfarrers der Paroisse zu regeln.

 

3.  Meine Lebensumstände

Bevor ich herkam wusste ich wenig über das, was mich hier erwarten würde und was ich alles „aushalten“ werden müsse, deshalb habe ich mich auf alles eingestellt und mir von Anfang an gesagt, dass ich keinerlei „europäische“ Ansprüche stellen darf.
Heute bin ich enorm froh, dass ich mich so auf alles Vorbereitet habe, auch wenn es längst nicht so extrem ist, wie ich es mir vorgestellt habe, sondern um Längen besser. Meine niedrige Erwartungshaltung im Vorhinein hat mir die geringfügigen Abstriche, die ich zu meinem Leben in Deutschland habe machen müssen, lächerlich einfach gemacht. Bis vor einem Monat hatten wir bei uns kein Fließend Wasser, allerdings gab es einen Brunnen und jeder hatte in seinem Zimmer einen großen Eimer, der täglich gefüllt werden konnte, bzw. bei Bedarf aufgefüllt wurde. Ich fand die so genannte Eimerdusche bei der Hitze eigentlich sogar sehr erfrischend und wohltuend. Vor ungefähr einem Monat sind von den Klempnern für uns die Leitungen zum Wasserturm geöffnet worden und nun haben wir auch fließend Wasser. Nun weiß ich mehr oder weniger zu schätzen, was es heißt eine Schraube aufzudrehen und Wasser direkt aus der Wand zu kriegen. Auf der anderen Seite weiß ich aber nun auch, dass es eigentlich überhaupt keine große Umstellung ist, sich das Wasser aus einem Eimer über den Kopf zu schütten oder es aus dem Wasserhahn gegossen zu bekommen.
Auch was die Versorgung mit Strom angeht, ist mein Lebensstandard kaum gesunken. Durch Solarzellen auf unserem Dach haben wir eine Batterie für unsere extrem wenig verbrauchenden Lampen, die immer funktionieren. Unsere Solarzellen betreiben noch eine weitere Batterie für die Steckdosen. Diese kann bei ausreichendem Ladezustand in der Regel ca. 4 Stunden täglich eingeschaltet werden. Um Handys, Laptop usw. aufzuladen reicht das auf jeden Fall. Man lernt schnell sich insofern zu organisieren und Energie zu sparen.
In der Paroisse habe ich ein eigenes Zimmer mit WC, Dusche und Waschbecken. Dadurch, dass es eine Haushälterin gibt, die für uns kocht, brauche ich insofern nicht selbst für mich sorgen. Sie wäscht sogar für mich, wenn ich möchte. In dem Pfarrhaus gibt es sogar einen Fernseher und für den Computer hat der Pfarrer auch einen Drucker mit Scanner. Diese Geräte können wir immer dann benutzen, wenn die Batterie eingeschaltet ist, bzw. um sie zu benutzen wird die Batterie eingeschaltet.

 

4. Mein Leben neben der Arbeit

Seit einigen Wochen denke ich viel über die Unterschiede nach, die es für Freiwillige allein in Westafrika gibt. Wie die meisten anderen hatte ich bei dem Wort „Westafrika“ keine großen Unterschiede bzw. Disparitäten erwartet. Nach meiner Reise zum Zwischenseminar habe ich gesehen das Westafrika eben doch nicht gleich Westafrika ist. So habe ich durch meine Reise nach Ghana zwei wesentliche Kontraste festgestellt: Frankophonie ßàAnglophonie und Stadtleben ßà Landleben. In Ghana habe ich bemerkt, dass die englische bzw. die französische Prägung eines Landes erhebliche Unterschiede macht. Auf der einen Seite gibt es andere Produkte (Ghana: Butterbread, Sugarbread, kein normales Weißbrot, sehr viel weniger Käse). Auf der anderen Seite gibt es aber auch in der Mentalität einige kleine Unterschiede fand ich. Ich habe in Togo die Erfahrung gemacht, dass die Leute immer alles weitgehend akzeptieren, was ich gemacht habe und mir auch in der Regel jedes Mal geholfen haben, wenn ich zum Beispiel körperliche Arbeit gemacht habe (manchmal wird gar nicht akzeptiert, wenn ich mit einem Sack Yamswurzeln durch das Dorf laufe, sodass jemand kommt und diesen für mich tragen will). In Ghana habe ich in der kurzen Zeit in der ich da war, diese Erfahrung nicht machen können und ich hatte allgemein das Gefühl, als Weißer dort weniger akzeptiert zu sein.

Dadurch, dass ich auf dem Land in einem relativ kleinen Dorf lebe, habe ich eigentlich keine Probleme hier Kontakte zu knüpfen. Für die Einwohner bin ich nicht der „Yowo“ (Ewe für „Weißer“) oder „Ansana“ (Kabiyè für „Weißer“), sondern ich bin Joris, der Freiwillige der Paroisse St. Augustin de Solla und damit der Nachfolger von den ehemaligen zwei Freiwilligen. Von manchen werde ich sogar „Outanu“ (der Dritte) genannt. Im Dorf erinnern sich die Leute an mich und ich selbst kann auch leichter abschätzen, inwiefern die Leute nur den „Profit“ in mir sehen oder wirklich interessiert sind mit mir zusammenzuarbeiten. Auch unter den Jugendlichen habe ich durch meine Arbeit im Lycee viele gute Freunde gefunden, die abends oft in die Paroisse kommen um zu lernen. Joseph, der Theologiestudent ist so ziemlich mein bester Freund in Togo. Er macht ebenfalls in der Paroisse ein praktisches Jahr und arbeitet in den Schulen als Religionslehrer und hält sonntags die Messe in einigen Dörfern. Wenn ich nachmittags Zeit habe gehen wir oft zusammen in den Garten am Fluss von Solla und arbeiten dort zusammen.

 

4. Fazit

Im Großen und Ganzen bin ich mit meinem Projekt mehr als zufrieden und ich habe oft das Gefühl, dass es perfekt auf mich zusgeschnitten ist. Ich komme mit allen Leuten gut klar und auch die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Ich freue mich immer noch sehr, dass ich die Möglichkeit gekriegt habe diese Erfahrung zu machen und mit meiner Arbeit hier bin ich auch sehr zufrieden. Ich habe das Gefühl, dass die Leute sich darüber freuen, dass ich da bin und mir bei jeder Frage/ jedem Problem, die / dass ich habe mit Rat und Tat zur Seite stehen. Nach den ersten drei Monaten kann ich bisher ein durchweg positives Fazit ziehen und ich freue mich ungemein auf die noch folgende Zeit in Solla.

Joris Krull, 18.03.2013